DDR – Zeitzeuge zu Besuch in der GSK

 DDR – Zeitzeuge in der GSK

Dieses Jahr wiederholt sich der 09.11, der 85. Jahrestag der Reichspogromnacht 1938, jenes unverzeihliche Verbrechen gegen alle Menschen jüdischem Glaubens im dritten Reich. Doch der 09.11.1989 ist auch der Tag des Falls der Berliner Mauer und der Wiedervereinigung von Ost – und Westberlin, und daher besuchte uns am Donnerstag, den 09.11.2023 Herr Michael Schwerk, um von seiner Flucht aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, der DDR, zu berichten.

v.l. Frau Wallenfang, Herr Schwerk 

Nach einer kurzen Einleitung durch unsere Geschichtslehrerin Frau Wallenfang (welcher wir übrigens die Organisation dieses tollen Vortrags verdanken, nochmals danke dafür!) begann der 79-jährige Schwerk mit fester Stimme und einer klar gestalteten Präsentation den anwesenden Schüler der Sekundarstufe 2 seine Lebensgeschichte zu erzählen. Geboren ist er, erzählte Schwerk, in Waldenburg, dem damaligen Schlesien, und später mit seiner Familie nach Pirna in Sachsen umgezogen, wo er eine ,laut eigenen Angaben, schöne Kindheit erlebte. Ab 1958 besuchte er dort auch eine erweiterte Oberschule, wo er 1962 sein Abitur ablegte. In seiner Jugend war er sehr sportlich, gehörte zu den besten Turnern seines Vereins und der Gegend, erzählt der immer noch sehr drahtig aussehende Mann, wollte deshalb Sport studieren; doch das war durch das Ein – Parteien Regime der DDR nicht möglich, fügt er traurig hinzu. Zuerst wurde ihm eine Ausbildung zum Betonfacharbeiter aufgezwungen, bei welcher er dem Propaganda – Apparat der DDR ungewollt näher kam. Zu diesem Zeitpunkt teilte die Berliner Mauer, genauer gesagt, die Sektorenabgrenzung der deutschen demokratischen Republik von der Bundesrepublik Deutschland am 13.08.1961 das Land schon mehr als ein Jahr, und mehr als 1,8 Millionen Menschen waren bereits aus der DDR geflüchtet. Indes wurde Schwerk zwar 1965 ein Studienplatz in Berlin angeboten, allerdings musste er sich vorerst noch bei der NVA (der nationalen Volksarmee, den offiziellen Streitkräften der DDR) verdingen. Zu diesem Zeitpunkt war Schwerks Hass auf die Ungerechtigkeit und die Ungleichheit, die im „diktatorischen 1 – Parteien Staat“ herrschten, so stark gewachsen, dass er heimlich seine Flucht plante. Er erzählte niemanden davon, um seine Familie und nächsten Angehörigen nicht in Gefahr zu bringen. Durch Zufall erfährt er von einer Schwäche in der S – Bahn Strecke der Ost - Bahn auf der Höhe „Böse Brücke“ in Richtung Bornholmer Straße, einer Möglichkeit zu fliehen. Am 31.10.1966 ist es soweit. Schwerk verabschiedet sich von seinen Angehörigen und steigt in die S – Bahn zum Prenzlauer Berg, wo seine Kompanie stationiert ist. Auf Höhe der „Böse Brücke“ zieht er die Notbremse, springt aus der Bahn, dann über einen Maschendrahtzaun. Er landet in einem Wehrgang der NVA, läuft weiter und springt in einen 5 Meter tiefen stillgelegten S – Bahn Graben der West – Bahn. „Die Flucht war quasi ein Selbstmord“, erzählt Schwerk uns, jeden Moment musste er damit rechnen, dass die Grenzbeamten ihn einholen und erschießen. Michael Schwerk gelingt jedoch die Flucht, er erreicht West – Berlin unverletzt. Wenn er nicht so gute Kondition gehabt hätte, hätte er es sicher nicht geschafft, berichtet er. Später studiert Schwerk in Köln Geographie und Sport, gründet eine Familie. Im Anschluss seiner Rede wurde den Schülern dann noch ermöglicht, in direkten Austausch mit Herrn Schwerk zu treten und ihm weitere Fragen zu seiner Geschichte zu stellen, welche Herr Schwerk allesamt freundlich und geduldig beantworte. In diesem Kontext verdeutlicht er auch die Aussage, wie wichtig eine funktionierende und gerechte Demokratie ist, ein Punkt, welchen wir, wie ich finde, in Zeiten einer immer stärker werdenden Radikalisierung und Rechtsruck uns zu Herzen nehmen sollten.

Vielen Dank Herr Schwerk, dass Sie sich die Zeit genommen haben, uns von Ihren Erfahrungen zu berichten und uns in Ihre Lebensgeschichte einzuweihen!

Ein Bericht von Caspar Bertram

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