"Von geistiger Brandstiftung zur Handlung ist es oft nur ein kleiner Schritt" - Autor Tom Saller im Interview

"Von geistiger Brandstiftung zur Handlung ist es oft nur ein kleiner Schritt" 

Autor Tom Saller im Interview


Nach einer erfolgreichen ersten Lesung im November letzten Jahres erklärte sich Tom Saller ein weiteres Mal bereit, aus seinem Debütroman "Wenn Martha tanzt" vorzulesen.

Das Buch spielt in zwei Zeitebenen und erzählt von der fiktiven Martha Wetzlaff, die 1900 in Pommern geboren wurde und ein paar Jahre im Weimarer Bauhaus studierte und deren Tagebuch in der zweiten Zeitebene des Buches von Thomas gefunden und gelesen wird. Inspiriert wurde der Autor durch seine Urgroßmutter Martha, die wie die Protagonistin in Pommern geboren wurde.

Mit dabei hatte der Autor seinen Sohn Fabian, der mit Gesang und Gitarre für musikalische Untermalung sorgte.
Passend zum 100. Jubiläum des Bauhaus (was ja auch Thema im Buch ist) war der Schwerpunkt der Vorlesung darauf gelegt.
Der ganze Abend war sehr harmonisch und interressant gestaltet.

Schließlich erklärte Tom Saller sich noch für ein kleines Interview bereit.
Zu seiner Person: Der Autor ist gelernter Psychotherapeut mit einer eigenen Praxis und spielt in einem Quintett Saxophon.

Wie hat sich denn ihr Beruf auf die Figuren in ihrem Buch ausgewirkt ?
Sehr, es ist einfacher, sich in die Figuren und ihre Lage hineinzuversetzen.

Die Figuren aus dem Roman existieren ja teils wirklich, gilt das auch für Teile der Geschichte?
Also, die Ur-Oma Martha und die Oma Hedi gab es wirklich. Der Ich-Erzähler ist teils Ich und wenn von dem 70er Bungalow, der Oma im Haus und dem Kartenspiel geschrieben wird, dann ist das autobiografisch. Meine Ur-Großmutter ist zwar wirklich in einem Musikinternat aufgewachsen, hat aber in ihrem Leben nichts vom Weimarer Bauhaus gehört, denn der Rest der Geschichte ist reine Fiktion.

Wollen Sie noch etwas zum Schreibstil ihres Romans erzählen?Ich habe unheimlich viel Wert auf Sprache gelegt, und zwar ist die Bauhausästethik, wenn sie über ihr Design nachdenken, ja wahnsinnig schlicht und reduziert und das habe ich versucht in der Romansprache herüberzubringen. Das Buch besteht aus vielen kurzen, vermeintlich einfachen Sätzen, aber durchs Lesen bringt man diese in Verbindung. Wie ein Legatobogen, den man darüber legt. (Ein Legatobogen oder auch Bindebogen wird in der Notenschrift der Musik eingesetzt, um mehrere Töne ohne Pause aneinander zu binden, Anm. d. Redaktion).
Denn, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen doof, aber meine Sprache muss grooven, denn ich lese den Text immer laut vor und schreibe das Manuskript solange um bis es 'groovt'.
Ich schreibe sozusagen musikalisch, und das ist mir immer noch wichtig hinzuzufügen, denn da spielt mein musikalisches Schaffen eine große Rolle.

Ein Teil der Geschichte spielt ja in der Zeit des Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg, wie sieht es denn Ihrer Ansicht nach in der heutigen Zeit aus?
Ich würde da noch ein bisschen früher ansetzen, denn 1925 musste das Bauhaus in Thüringen schließen, weil die Völkisch-Nationalen an die Macht kamen. Man muss sich das so vorstellen, damals (Ich bin geneigt zu sagen wie heute ) waren Brandstifter am Werk. Und zwar hat das ganz viel mit Sprache zu tun. Wenn Sie sich beispielsweise den AfD-Jargon (Ausdrucksstil) anhören, merken Sie, wie die immer weiter die Grenze dessen, was angeblich oder vermeintlich gesagt werden darf, erweitern. Also, wenn Herr Gauland sagt, der Nationalsozialismus sei ein Fliegenschiss in der Geschichte gewesen, dann ist das eine Unverschämtheit und geistige Brandstiftung. Und von geistiger Brandstiftung bis zum Umsetzen in Handlung ist es meist leider nur ein kleiner Schritt. Das hat man am Nationalsozialismus gesehen, erst wurden nur Worte geschwungen, Hitler hat 'Mein Kampf' geschrieben und zack, waren die SA-Leute auf der Straße und haben alles verprügelt, was nicht bei drei auf dem Baum war. Heute haben wir eine Art "Neue Rechte", wo leider auch genug intelligente Menschen beitreten. Und wenn mein Roman dazu beitragen kann, da warnend den Zeigefinger zu geben, nach dem Motto "Hey Leute,hört mal hin auf das, was ihr sagt",dann wäre ich sehr froh.

Das Interview führte Darlene Schiska

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