Eindrücke aus Indien - Ein Bericht von Anna Feder

Meine Indientour zu einer Freundin im Freiwilligendienst 


Ich verlasse die Eingangshalle des Flughafens von Bangalore nach einem 10-stündigen Flug und stehe nun vollbepackt in der prallen Sonne Indiens. Vor mir eine Reihe von Flug- und Reisegesellschaften. Schnell finde ich das Bustickethäuschen und kaufe mir ein Ticket für die ungefähr drei Stunden entfernte Stadt Mysore. 20 Minuten später sitze ich zwischen in Saris und Kurta gekleideten indischen Frauen und in Kurta, Jeans und Hemd gekleideten indischen Männern. Nach ungefähr zwei Stunden steuert der Bus eine Art Restaurant auf einer Raststätte an und alle steigen aus. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr wird mir auch klar warum- Mittagszeit. Nach einer halben Stunde steigen alle wieder ein und die Fahrt geht weiter. Eine Stunde später verlasse ich endlich den Bus und betrete Mysores Boden. Vor mir ein Gewimmel von indischen Männern, Frauen, Verkäufern, die ihr Obst und Gemüse auf den vor sich ausgebreiteten Decken verkaufen. Mitten aus dem Gewimmel kommt Johanna auf mich zu. Johanna ist eine gute Freundin aus Deutschland. Sie lebt bereits seit 7 Monaten in der im Süden Indiens gelegenen Stadt Mysore und absolviert dort einen Freiwilligendienst in einer Schule für körperlich und geistig beeinträchtigte Kinder. Aber dazu komme ich später noch. Kurze Zeit darauf fahren wir also mit der Rikscha in Richtung Innenstadt zum Hotel. Aus Platzgründen übernachte ich nicht in Johannas Gastfamilie sondern im Hotel. Auf dem Weg dorthin darf ich erste Eindrücke des indischen Straßenverkehrs sammeln.
Im indischen Straßenverkehr wird sich vor allem mit Taxis, Rikschas, Motorrädern und Rollern fortbewegt, die sich ihren eigenen Weg durch die chaotisch verstopften Strassen bahnen. Dabei wird Millimeterarbeit geleistet, um schnellst möglich voran zu kommen. Hupen, so merke ich, hat hier viele Bedeutungen. Diese wird betätigt, sobald einer kurz anhält, einer im Weg steht oder auch als Überholsignal oder, wie bei uns, auch als Warnsignal. Da dies bei diesem Chaos ständig der Fall ist, wird das Gehupe zum Dauergeräusch, das uns bis hin zum Hotel ununterbrochen begleitet. Im Hotel werde ich von Johannas Schwester Katharina und ihrem Vater Ferdinand empfangen, die Johanna ebenfalls besuchen.
Johanna bewarb sich ein Jahr im Voraus bei der Organisation ICYE und erfuhr ein halbes Jahr später, dass ihr Land Indien sein wird. Am 9. August ging es dann für sie los. Mit ihr wurden knapp 20 andere Freiwillige aus Deutschland, Österreich, Schweiz und Ecuador entsendet. Bevor es für die Freiwilligen in ihre Familien und ihre Projekte ging, wurden sie 5 Tage in einem Arrival Camp auf ihr Jahr vorbereitet. Johanna wohnt in einer indischen Familie mit drei weiteren Freiwilligen, die jeweils aus Österreich und Ecuador kommen. Von montags bis freitags arbeitet sie in der christlich geprägten Schule, die von sieben Kindern im Alter zwischen 6 und 21 Jahren besucht wird. Sie haben Beeinträchtigungen wie das Down Syndrom oder Autismus und werden von insgesamt vier Lehrern durch ihren Schulalltag begleitet. Gleich am nächsten Tag kann ich bei Johanna mit ins Projekt rein schnuppern.
Am nächsten Morgen fahre ich also mit dem Taxi in Johannas Viertel. Dort steige ich mit Johanna in einen Van, und die Fahrt geht los. In dem Van sitzen bereits ein paar Schüler_innen und eine Lehrerin, die vorher vom Bus jeweils Zuhause abgeholt wurden. Auf dem Weg zur Schule, die etwas außerhalb der Stadt liegt, werden die restlichen Kinder Zuhause eingesammelt, bis dann insgesamt 7 Kinder, 2 Lehrerinnen und die Putzfrau im Bus sitzen. Nach ca. 20 Minuten Fahrt kommen wir an der Schule, die aus einem großen Bungalow besteht, an. Der Bungalow ist in zwei Hälften unterteilt. In der einen Hälfte befindet sich die Schule mit ihren 4 Klassenzimmern und in dem anderen Teil liegt das Apartment der Schulleiterin. Kurz nach dem Eintreffen versammeln sich alle Kinder gemeinsam mit den Lehrerinnen im Kreis zur Circle Time, in der gemeinsam gesungen, getanzt und gebetet wird. Nach einer halben Stunde beginnt dann der Unterricht, der auch jeweils eine halbe Stunde lang dauert. Die Kinder werden entweder alleine oder zu zweit in einem Fach unterrichtet . Ich gehe mit Johanna in ihr Klassenzimmer, das durch seine vier Fenster sehr hell wirkt. Hier unterrichtet sie die Kinder in Englisch. An diesem Tag beginnt Johanna als erstes mit Shalet und Navitha, zwei Mädchen. Ich setze mich dazu und helfe Navitha, die Buchstaben richtig auszuschreiben. Nach 30 Minuten wechselt die Klasse und Abirahmi, ein kleines Mädchen, kommt in den Unterricht. Johanna stellt ihr Aufgaben wie Farben und Formen zuordnen, bei denen ich ihr ebenfalls helfe. Nach den zwei Stunden folgt der „Snack Break“, in dem die Kinder Zeit haben, etwas zu essen, spielen können, und die Lehrer ihren heiss ersehnten Chai (Schwarztee) zu sich nehmen. Danach folgen wieder zwei Stunden Unterricht. Neben Englisch werden die Kinder auch in Mathematik, in Cannada (die Sprache, die in dieser Region gesprochen wird) unterrichtet,und sie bekommen Computernutzung und „living Skills“ wie etwa Nähen beigebracht. Nach den zwei weiteren Unterrichtsstunden folgen die Indoorgames, in denen die Kinder sich 30 Minuten mit Spielen wie Uno oder Puzzeln beschäftigen. Es folgt der Lunch Break. Hier müssen die Kinder immer mal wieder motiviert werden, weiter zu essen oder sie müssen gefüttert werden. Bevor die Kinder weiterspielen, werden noch die Zähne geputzt. Um zwei Uhr schauen die Schüler dann einen Film, und ich esse gemeinsam mit den Lehrern zu Mittag. Johanna hat mir aus ihrer Familie lemon rice mitgebracht. In Indien werden sowohl morgens, mittags und abends in der Regel Reis oder Brotgerichte verzehrt. Um 14:45 geht es dann gemeinsam mit den Kindern im Van wieder nach Hause.
Die nächsten Tage unterscheiden sich nur dahin gehend, dass zum Beispiel montags Physio und Kunst angeboten wird und freitags ab und zu ein Tagesausflug stattfindet. Am nächsten Tag fahren wir gemeinsam mit dem Van in die „ Mall of Mysore“. Zwischen all den teuren Sari-Läden und Marken-Läden wie Nike und Apple kehren wir mit den Schülern in einen Supermarkt ein. Die Lehrer klären sie über einige Lebensmittel auf. Danach vergnügen sich die Kinder noch in der Bowling-Halle, bevor es dann zurück geht.
Zweieinhalb Wochen später sitze ich wieder im Flugzeug auf dem Weg zurück nach Deutschland. Viele Eindrücke und Erlebnisse, die ich in den letzten Wochen gesammelt und erlebt habe, schwirren mir durch den Kopf. Zum einen die Eindrücke der Freiwilligenarbeit von Johanna sowie der Einblick in den Alltag einer indischen Schule. Was mich in diesen zweieinhalb Wochen immer wieder erschreckt hat, war der viele Plastikmüll, der auf den Strassen, in Flüssen und Seen herumlag und leider nicht, wie wir es von hier kennen, in die Mülltonne geworfen und regelmäßig von einer Müllabfuhr abgeholt wird. Nein, so organisiert ist es dort leider nicht. Ab und zu konnte ich beobachten, wie der Müll am Straßenrand zusammengekehrt und verbrannt wurde. Ich war mir im Vorhinein schon im Klaren darüber, dass Plastik ein immer größer werdendes Problem unserer Zeit ist, aber zum ersten Mal bewusst ist mir dies erst in Indien geworden. In den Straßen ist mir immer wieder aufgefallen, dass ich mehr Männern als Frauen begegne, ein Grund dafür, so erfahre ich, ist die häufige Abtreibung von Mädchen. Mehrmals habe ich im Vorhinein gehört, dass die Frauen in Indien unterdrückt werden und als das minderwertige Geschlecht gelten. Ich kann dazu nicht viel sagen, weil ich nur zweieinhalb Wochen in Indien war. Aber eine Beobachtung möchte ich an dieser Stelle kurz schildern. Als ich mit Johanna in einen Bahnhof hineinging, um Zugtickets zu holen, standen dort an drei Ticketschaltern Männer an. Ich wollte mich schon dort anstellen, da steuerte Johanna aber auf einen Ticketschalter zu, an dem eine längere Schlange von Frauen anstand. Schnell wurde mir klar, dass auch hier strikt nach Frauen und Männern getrennt wird, wobei mir drei Ticketschalter für Männer und nur einer für Frauen etwas unverhältnismäßig vorkam. Als ich aber das Schild las, das über unserem Ticketschalter hing und Auskunft darüber gab, wer sich an diesem Ticketschalter noch alles anstellen durfte, stutzte ich ein wenig. Darauf stand: Frauen, Rentner und Behinderte. In den vielen Begegnungen mit Indern_innen ist mir immer wieder aufgefallen, dass wir durch unsere helle Haut und unsere westliche Erscheinung automatisch als reich angesehen werden, was nach all der Armut, die ich dort auf den Straßen gesehen habe, kein schönes Gefühl war. Trotz der kurzen Zeit schwirren mir in den restlichen Stunden des Rückflugs weitere Erlebnisse ungeordnet durch Kopf- ein Kamelritt in die Wüste, Zugfahrten durch die Nacht in sehr vollen Abteilen, prächtige Bauten, das bunte Straßenbild, Märkte, Begegnungen… 10 Stunden später lande ich in Düsseldorf und werde von meinem Papa abgeholt. Auf dem Weg nach Hause kommt mir der deutsche Strassenverkehr auf einmal noch geordneter vor als sonst.
Ein Bericht von Anna Feder


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