Vorurteile aus dem Weg räumen mithilfe der lebenden Bibliothek - 12er Relikurs mit tollem Projekt
Die lebende Bibliothek
Am Donnerstag, den 06. April, fand ein großes Event an unserer Schule statt. Die von der Caritas organisierte „Lebende Bibliothek“ kam zum ersten Mal an unsere Schule und der 12er Religionskurs von Herrn Schröder durfte daran teilnehmen. Doch worum ging es eigentlich? Bei der Veranstaltung werden Menschen eingeladen, die ein besonderes Schicksal erlebt haben und von ihren Erfahrungen berichten wollen. Angeleitet von Herrn Schröder trafen wir uns in der Aula mit unseren vorher gewünschten „Büchern“.
Schülerinnen und Schüler im Gespräch mit Maria, einer Zeitzeugin des zweiten Weltkriegs |
Die Personen erlebten ein bestimmtes Schicksal und wollten es mit uns teilen. Dabei entstanden sehr tolle und mitreißende Unterhaltungen. Wir konnten so viele Fragen stellen, wie wir wollten, das einzige was uns im Weg stand, war die Zeit. Also durften wir nun in kleinen Gruppen zu je 3 oder 4 Schülerinnen und Schülern in zwei Schichten die „Lebenden Bücher“ ausleihen und uns ihre Geschichten anhören.
Wirklich mitreißende Geschichten wurden uns von Stephen und Abdullah erzählt, die wegen ihrer sexuellen Orientierung in ihrem eigenen Land verfolgt und getötet werden würden und sich deshalb als Flüchtlinge auf den Weg nach Europa machten. Bei diesen beiden spannenden Geschichten hörten alle gebannt zu. Am Ende waren alle sogar so verblüfft, dass wenig Fragen gestellt wurden.
Es gab aber auch noch andere spannende Lebensgeschichten, wie die des ehemaligen Häftlings Dietmar. Dieser saß im Gefängnis, weil er eines Tages auf den plötzlichen Gedanken kam, eine Bank auszurauben und dies auch mit Erfolg abschloss. Bevor wir mit ihm gesprochen haben, schwirrten uns verschiedene Fragen durch den Kopf, wie und was ihn dazu verleitet habe, so einen Raub zu begehen oder wie so eine Zeit im Gefängnis abläuft. Schlussendlich bekamen wir eine sehr spannende und witzige Lebensgeschichte zu hören und man hat Dietmar angemerkt, dass er mit seiner kompletten Vergangenheit abgeschlossen hatte. Eine sehr lustige Anekdote von ihm war eine Aktion beim Familienessen. Seine Tante sah in der Zeitung ein Phantombild des mutmaßlichen Räubers der Bank und sagte: „Hey Dietmar, dass hättest du sein können!“, daraufhin fingen alle an zu lachen und er selber wusste natürlich die Wahrheit und war peinlich berührt. Dann, mehrere Jahre nach seinem Raub, wurde er an seinem Geburtstag von der Polizei festgenommen, wegen eines Hinweises seiner Freundin, die ein Scheckbuch einer anderen Bank fand und nachfragte. Aber sein Leben im Gefängnis war keineswegs schlecht. Er bekam viel Ausgang, um sportlich aktiv in einem Fußballverein zu sein und wurde wegen guter Führung auch früher entlassen.
Das Wichtigste, wie man sich im Gefängnis verhält, sagte er, ist sich nicht auf das Niveau der anderen Häftlinge zu begeben, denn manche von ihnen werden niemals mehr die Welt draußen erleben, sondern eben sein eigenes „Ding“ durchzuziehen.
Leider konnte ich mir nicht alle Schicksale jeder Personen anhören, aber wie ich am Ende erfahren hatte, waren alle Geschichten sehr spannend und mitreißend, besonders die von Maria, der Zeitzeugin des 2. Weltkriegs und des Transmanns Finn, der sich schon immer als ein Mann gefühlt hat, aber in einem Körper einer Frau feststeckte. Bei einem solchen Schicksal interessieren einem vor allem die Beweggründe und die nächsten Schritte in seinem Leben. Auf ihn warten noch viele Operationen und er muss sich natürlich in einer Welt, die oftmals sehr hart gegen „andersfühlende“ Menschen sein kann, durchsetzen.
Dasselbe war auch bei der bekennenden Muslima Berivan der Fall, die freiwillig das Kopftuch angelegt hat. Sie wird auch mit Vorurteilen und anderen Anfeindungen konfrontiert, obwohl sie schon ihr ganzes Leben hier bei uns lebt und auch fließend deutsch spricht.
Schlussendlich hat uns jeder ein sehr spannendes Leben und Schicksal zu erzählen gehabt und es waren lohnenswerte 90 Minuten. Diese „Lebende Bibliothek“ sollte viel öfter an anderen Schulen durchgeführt werden, denn wann kommt man schon mal mit einem Transmann oder einem homosexuellen Flüchtling ins Gespräch. Genau so etwas unterstützt die noch jungen Menschen ihre Berührungsängste gegenüber Veränderungen und anderen Menschen loszulassen und offener durchs Leben zu gehen.
Vielen Dank nochmal an die Caritas, ohne die dies nicht möglich gewesen wäre.
Für mehr Informationen zum Projekt, bitte hier klicken...
Ein Bericht von Adrian Bougas
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